Zitat:
Original von kimokarimbebito
Vielen Dank!
Vielen Dank!
Kann jemand erklären, wie lange die erzählte Zeit dauert?
Wie zeigen sich die Merkmale der geistigen Tendenz in diesem Werk?
Danke im voraus!
Erdbeben von Chilli
Aufbau:
Teil 1: Stadt: Einführung der Hauptpersonen, Erdbeben, Wiedersehen der Hauptfiguren (S. 51 - S. 58,Z.26)
morgens (Vorgeschichte: etwa ein Jahr)
Teil 2: Land: idyllisches Leben der Überlebenden (S.58, Z.27 - S.65, Z.19)
Nacht, früher Morgen
Teil 3: Stadt: Lynchjustiz (S.65,Z.20 - S.70)
Abend
Handlungszeitraum: insgesamt etwa 36 Stunden ( Linealer Erzählstrang ohne Vorausdeutung )
Erzählaspekte
auktorialer Erzähler (allerdings zurückhaltend):
- organisiert den Erzählstrang (Rückblenden)
- lässt unwichtige Vorgänge weg, also Raffung (z.B. Zeitraum zwischen 1. Trennung und 1. Wiedersehen)
- erwähnt sich selbst (S. 53, Z.29f)
- bewertet (z.B. S. 52, Z.21, Ironie: S.53, 8-11)
- erklärt (z.B. S. 52, Z.6)
teilweise Erzählerbericht
- neutral oder
- aus der Perspektive von Figuren (z.B. im 1. Teil: der beiden Hauptfiguren)
erzählte Zeit / Erzählzeit
- erzählte Zeit: 36 Stunden (+ Vorgeschichte: etwa 1 Jahr)
- Erzählzeit: ca. 2 Stunden
also insgesamt Raffung
aber auch Zeitdeckung (z.B. bei wörtlicher Rede) und Zeitdehnung (z.B. S. 56 oben)
Erzähltempus:
Imperfekt
----------------------------------------------------------------------------
Meinst du das mit geistiger Tendenz ?
1755 brachte das große Erdbeben von Lissabon, das einen Einbruch der Natur in das Konzept der Aufklärung – des Fortschritts, des Friedens und der Ruhe – darstellte, mit der Zerstörung der blühenden Metropole gleichzeitig auch das Gefühl der Sicherheit, in dem die Menschen der damaligen Zeit lebten, ins Wanken. Als Reaktion darauf wurde die Schuldfrage von der zeitgenössischen intellektuellen Elite philosophisch aufgearbeitet – im Gegensatz zu unserer heutigen Gesellschaft, in der solche Katastrophen naturwissenschaftlich untersucht werden: Eine heftig geführte Debatte um die Theodizeefrage entbrannte. Angesichts der schrecklichen Auswirkungen des Bebens schien Leibniz’ Theorie der prästabilierten Harmonie, der zufolge die Menschen in der besten aller möglichen Welten leben, grotesk, genauso wie – laut Voltaire – die nun aufkommende Proklamation eines göttlichen Strafgerichts durch einige Theologen in Anbetracht der großen Anzahl jugendlicher Opfer in einem grausam-ironischen Licht erscheinen musste. Andere Philosophen versuchten das unermessliche Leid und schließlich das Böse auf der Welt an sich – wie Kant – damit zu erklären, dass der Mensch auf Grund seiner subjektiven Beschränktheit nicht in der Lage sei, den Prozess der Natur zu verstehen oder gaben – wie Rousseau – der Zivilisation, der Abkehr des Menschen von der Natur die Schuld. Mit seiner Novelle „Das Erdbeben in Chili“ greift Kleist all diese Geisteshaltungen auf, kommentiert aber gleichzeitig die romantische Geschichtskonstruktion anderer Dichter seiner Zeit (wie Novalis) und denkt diese weiter, indem er deren Konzept einer arkadischen Vergangenheit, einer vorübergehenden Entfremdung der Gegenwart und einer idealisierten Zukunft im Ilysium ins Gegenteil verkehrt. Der Schauplatz der Gegenwart ist statt Lissabon jedoch St. Jago in Chile zur Zeit des Erdbebens von 1647.
- Theodizee: klassisches theologisches Problem; wenn ein allmächtiger, gütiger, allwissender Gott existiert:
Wie lässt sich dann die Existenz des Bösen in der Welt erklären?
- Das Erdbeben in Lissabon, d.h. in einem streng katholischen Land, führte zu einer intensiven Theodizee - Diskussion
zur Zeit der Aufklärung.
Leibniz:
vertrat (allerdings vor dem Erdbeben) die Position, dass es Böses in der Welt geben müsse,
damit das Streben des Christen nach Vollkommenheit möglich werde. Das Böse ist Produkt der
Freiheit des Menschen, die Gott ihm zubilligt, damit der Mensch nach Vollkommenheit streben kann.
Obwohl das Böse existiert, ist die Welt die "beste aller möglichen Welten".
Die Diskussion nach dem Erdbeben 1755 führte zu einem Bruch mit dieser Auffassung.
Voltaire
grundlegender Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Welt; Anklage angesichts des großen Elends
Rousseau
fordert Anpassung des Menschen an die Natur, kritisiert Voltaire
alles ist gut, wie es von Gott kommt, alles wird durch den Menschen schlecht
Kant
fordert Anpassung des Menschen an die Natur
Kleist
in "Das Erdbeben in Chili": das Gottesverständnis der Kirche (der strafende Gott) wird von Kleist
kritisch (blutrünstig) dargestellt
Insgesamt stellt Kleist in seiner Novelle somit ein Konzept der Unerkennbarkeit einer objektiven Weltordnung durch die menschliche Erkenntnis auf. Er entlarvt die Vorstellung einer anhaltenden, ja ewig währenden Harmonie als Utopie und erweist sich so als realitätsnäher sowohl als seine Handlungsträger als auch andere Dichter seiner Zeit. Zwar negiert er nicht die Existenz Gottes, wohl aber das Walten und Eingreifen eines gütigen Wesens in das Geschick der Menschen, und erweist sich so als Vertreter des deistischen Gottesglaubens.
Erklärung:
Deistisch
bezeichnet man den Glauben an einen Gott aus Verstandesgründen
Deismus (lat. deus "Gott"): Gottesauffassung, nach der Gott die Welt schuf, aber keinen weiteren Einfluss mehr auf sie ausübt. Eine Offenbarung Gottes durch Jesus Christus oder ein wirkmächtiges Eingreifen durch Wunder wird abgelehnt. Der Deismus entstand im Zuge der Aufklärung und wurde neben Cherbury auch von Voltaire und Rousseau im Zusammenhang mit der Errichtung einer philosophischen natürlichen Religion vertreten.
Ich hoffe das hilft dir
Aufbau:
Teil 1: Stadt: Einführung der Hauptpersonen, Erdbeben, Wiedersehen der Hauptfiguren (S. 51 - S. 58,Z.26)
morgens (Vorgeschichte: etwa ein Jahr)
Teil 2: Land: idyllisches Leben der Überlebenden (S.58, Z.27 - S.65, Z.19)
Nacht, früher Morgen
Teil 3: Stadt: Lynchjustiz (S.65,Z.20 - S.70)
Abend
Handlungszeitraum: insgesamt etwa 36 Stunden ( Linealer Erzählstrang ohne Vorausdeutung )
Erzählaspekte
auktorialer Erzähler (allerdings zurückhaltend):
- organisiert den Erzählstrang (Rückblenden)
- lässt unwichtige Vorgänge weg, also Raffung (z.B. Zeitraum zwischen 1. Trennung und 1. Wiedersehen)
- erwähnt sich selbst (S. 53, Z.29f)
- bewertet (z.B. S. 52, Z.21, Ironie: S.53, 8-11)
- erklärt (z.B. S. 52, Z.6)
teilweise Erzählerbericht
- neutral oder
- aus der Perspektive von Figuren (z.B. im 1. Teil: der beiden Hauptfiguren)
erzählte Zeit / Erzählzeit
- erzählte Zeit: 36 Stunden (+ Vorgeschichte: etwa 1 Jahr)
- Erzählzeit: ca. 2 Stunden
also insgesamt Raffung
aber auch Zeitdeckung (z.B. bei wörtlicher Rede) und Zeitdehnung (z.B. S. 56 oben)
Erzähltempus:
Imperfekt
----------------------------------------------------------------------------
Meinst du das mit geistiger Tendenz ?
1755 brachte das große Erdbeben von Lissabon, das einen Einbruch der Natur in das Konzept der Aufklärung – des Fortschritts, des Friedens und der Ruhe – darstellte, mit der Zerstörung der blühenden Metropole gleichzeitig auch das Gefühl der Sicherheit, in dem die Menschen der damaligen Zeit lebten, ins Wanken. Als Reaktion darauf wurde die Schuldfrage von der zeitgenössischen intellektuellen Elite philosophisch aufgearbeitet – im Gegensatz zu unserer heutigen Gesellschaft, in der solche Katastrophen naturwissenschaftlich untersucht werden: Eine heftig geführte Debatte um die Theodizeefrage entbrannte. Angesichts der schrecklichen Auswirkungen des Bebens schien Leibniz’ Theorie der prästabilierten Harmonie, der zufolge die Menschen in der besten aller möglichen Welten leben, grotesk, genauso wie – laut Voltaire – die nun aufkommende Proklamation eines göttlichen Strafgerichts durch einige Theologen in Anbetracht der großen Anzahl jugendlicher Opfer in einem grausam-ironischen Licht erscheinen musste. Andere Philosophen versuchten das unermessliche Leid und schließlich das Böse auf der Welt an sich – wie Kant – damit zu erklären, dass der Mensch auf Grund seiner subjektiven Beschränktheit nicht in der Lage sei, den Prozess der Natur zu verstehen oder gaben – wie Rousseau – der Zivilisation, der Abkehr des Menschen von der Natur die Schuld. Mit seiner Novelle „Das Erdbeben in Chili“ greift Kleist all diese Geisteshaltungen auf, kommentiert aber gleichzeitig die romantische Geschichtskonstruktion anderer Dichter seiner Zeit (wie Novalis) und denkt diese weiter, indem er deren Konzept einer arkadischen Vergangenheit, einer vorübergehenden Entfremdung der Gegenwart und einer idealisierten Zukunft im Ilysium ins Gegenteil verkehrt. Der Schauplatz der Gegenwart ist statt Lissabon jedoch St. Jago in Chile zur Zeit des Erdbebens von 1647.
- Theodizee: klassisches theologisches Problem; wenn ein allmächtiger, gütiger, allwissender Gott existiert:
Wie lässt sich dann die Existenz des Bösen in der Welt erklären?
- Das Erdbeben in Lissabon, d.h. in einem streng katholischen Land, führte zu einer intensiven Theodizee - Diskussion
zur Zeit der Aufklärung.
Leibniz:
vertrat (allerdings vor dem Erdbeben) die Position, dass es Böses in der Welt geben müsse,
damit das Streben des Christen nach Vollkommenheit möglich werde. Das Böse ist Produkt der
Freiheit des Menschen, die Gott ihm zubilligt, damit der Mensch nach Vollkommenheit streben kann.
Obwohl das Böse existiert, ist die Welt die "beste aller möglichen Welten".
Die Diskussion nach dem Erdbeben 1755 führte zu einem Bruch mit dieser Auffassung.
Voltaire
grundlegender Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Welt; Anklage angesichts des großen Elends
Rousseau
fordert Anpassung des Menschen an die Natur, kritisiert Voltaire
alles ist gut, wie es von Gott kommt, alles wird durch den Menschen schlecht
Kant
fordert Anpassung des Menschen an die Natur
Kleist
in "Das Erdbeben in Chili": das Gottesverständnis der Kirche (der strafende Gott) wird von Kleist
kritisch (blutrünstig) dargestellt
Insgesamt stellt Kleist in seiner Novelle somit ein Konzept der Unerkennbarkeit einer objektiven Weltordnung durch die menschliche Erkenntnis auf. Er entlarvt die Vorstellung einer anhaltenden, ja ewig währenden Harmonie als Utopie und erweist sich so als realitätsnäher sowohl als seine Handlungsträger als auch andere Dichter seiner Zeit. Zwar negiert er nicht die Existenz Gottes, wohl aber das Walten und Eingreifen eines gütigen Wesens in das Geschick der Menschen, und erweist sich so als Vertreter des deistischen Gottesglaubens.
Erklärung:
Deistisch
bezeichnet man den Glauben an einen Gott aus Verstandesgründen
Deismus (lat. deus "Gott"): Gottesauffassung, nach der Gott die Welt schuf, aber keinen weiteren Einfluss mehr auf sie ausübt. Eine Offenbarung Gottes durch Jesus Christus oder ein wirkmächtiges Eingreifen durch Wunder wird abgelehnt. Der Deismus entstand im Zuge der Aufklärung und wurde neben Cherbury auch von Voltaire und Rousseau im Zusammenhang mit der Errichtung einer philosophischen natürlichen Religion vertreten.
Ich hoffe das hilft dir
Zuletzt bearbeitet von Peppi2401 am 15.12.2014 um 03:29 Uhr
Ja, Danke!
Aber Ich meine mit der "geistigen Tendenz" die Merkmale der literarischen Epoche in diesem Werk?
Ich wäre immer dankbar. Ich habe noch eine Frage, und zwar: Welche interkulturelle Aspekte hat diese Novelle? ^_^
Aber Ich meine mit der "geistigen Tendenz" die Merkmale der literarischen Epoche in diesem Werk?
Ich wäre immer dankbar. Ich habe noch eine Frage, und zwar: Welche interkulturelle Aspekte hat diese Novelle? ^_^
Zuletzt bearbeitet von kimokarimbebito am 16.12.2014 um 03:37 Uhr