Auf der Seite der Zeit habe ich einen guten Artikel gefunden. Hier werden nochmal 3 weitere Aspekte genannt. Aufpassen ist aus dem Feuilleton und so was hochtrabend ;P

Shakespeare dagegen hat den Menschen als ein durchaus „gemischtes Wesen" gesehen, in der ganzen widerspruchsvollen, irrationalen Verbindung der verschiedenartigsten, oft rätselhaften Impulse, als ein unergründbares paradoxes Wesen, in dem die größten Gegensätze sich begegnen können.
Dass Shakespeare an seinen Charakteren manches unbestimmt und offen gelassen hat, trägt — so wissen wir heute — zu ihrer Lebendigkeit nur bei.

Der zweite Punkt liegt in der Art und Weise begründet, wie Shakespeare die Themen und Probleme seiner Dramen behandelt. Er stellt Fragen, ohne sie selber zu beantworten, er entwickelt ein Problem, ohne die Lösung unmittelbar zu verraten. Schiller und Lessing machen es uns leichter, herauszufinden, was „der Sinn", die Moral, die Grundidee ihrer Dramen jeweils ist; Shakespeare macht es uns dagegen ausgesprochen schwer. Er überläßt es vielmehr dem Zuschauer oder dem Leser, nach der Antwort auf die durch das Drama gestellte Frage selbst zu suchen. So wird die Phantasie, das ergänzende Weiterdenken ständig in Bewegung gesetzt, und es entsteht jene fruchtbare innere Unruhe des Fragens und Nachsinnens, die uns selber produktiv werden läßt.

Es gibt keinen Dramatiker, der sich weniger auf eine bestimmte Weltanschauung festlegen läßt als er und trotzdem Lebensweisheit und Einsicht in den Gang der Welt in so unerschöpflicher Fülle enthält. Doch die „Weltanschauung", die Shakespeares Dramen zugrunde hegen mag, bleibt ganz im Hintergrund. Die diesbezüglichen Aussprüche, die sich durch das ganze Werk hin ausgestreut finden, sind aus dem jeweiligen Moment geborene, plötzliche Erkenntnisse, die meist an den Charakter gebunden erscheinen und darum nur selten als „Moral" des Stückes oder gar als Glaubenssätze Shakespeares betrachtet werden dürfen. Das Weltbild Shakespeares war so festgefügt und durchschaubar nicht, wie manche Interpreten geglaubt haben. Glauben und Skepsis halten sich die Waage, und neben dem Ordnungsbegriff, dem man m Shakespeares Weltbild eine wichtige Rolle zuerkannt hat, stehen als nicht minder wichtig der Zweifel, die Desillusion, der Pessimismus. Die letzten Werte aber, um die es auch bei Shakespeare immer wieder geht, sind kaum je als etwas Selbstverständliches und Unverrückbares vorgegeben, sondern müssen von jedem einzelnen durch sein persönliches Leben und Schicksal neu erfahren und bestätigt werden.