Georg Büchners Dramatisches Fragment Woyzeck

1 Zum Werk
Georg Büchner hinterlässt das Drama "Woyzeck" als Fragment. In überarbeiteter Fassung erschien es zum ersten Mal 1879.


2 Inhaltsangabe - Kurzfassung
Franz Woyzeck ist Soldat und lebt am untersten Ende der sozialen Hierarchie. Seine Geliebte Marie und sein Kind sind für ihn einziger Halt. Von seinen Vorgesetzten wird er als Versuchsobjekt für me-dizinische Experimente missbraucht. Als seine Geliebte von einem Tambourmajor verführt wird, und er daraufhin gedemütigt wird, ermordet er seine Geliebte Marie.


3 Inhaltsangabe- Langfassung
Der einfache und arme Soldat Woyzeck versucht mit ehrlicher Arbeit seine Freundin Marie und sein uneheliches Kind zu unterstützen. Daher dient er den Hauptmann als Laufbursche. Dieser nutzt aber jede Situation aus, um Woyzeck zu beleidigen und auszunutzen. Als Woyzeck den Haupt-mann rasiert, wird er von diesem beschimpft und beleidigt. Woyzeck lässt sich nichts anmerken und setzt seine Arbeit fort.
Währen dessen begegnet Marie bei einem Spaziergang in der Stadt einem Tambourmajor der als Haupttrommler die Parade einer Militärkapelle anführt. Der Major ist von Marie sehr angetan und versucht, sie mit kleinen Geschenken für sich zu gewinnen.
Woyzeck aber ahnt, dass Marie ihn betrügt. Daher lässt sich auf das Experiment eines skrupellosen Arztes ein. Im Zuge dessen wird Woyzeck auf eine Erbsendiät gesetzt und darf fortan ausschließlich die grünen Hülsenfrüchte essen. Durch das zusätzliche Geld hofft Woyzeck, seine Freundin an sich binden zu können.
Marie kann inzwischen den Avancen des Tambourmajors nicht mehr widerstehen und lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein. Woyzecks Eifersucht wächst. Zudem wird der Soldat vom Hauptmann und dem Arzt psychisch und physisch immer stärker ausgenutzt und in der Öffentlichkeit blamiert. Woy-zecks Mitmenschen machen sich auf seine Kosten lustig und stacheln die Eifersucht mehr und mehr an.
Schließlich entdeckt Woyzeck Marie und den Tambourmajor bei einem Tanz im Wirtshaus. Auf-grund der Mangelernährung sowie der psychischen Belastungen ist Woyzeck inzwischen völlig er-schöpft. Daher hört er Stimmen, die ihm befehlen, Marie umzubringen. Da Woyzeck nicht genü-gend Geld für eine Pistole besitzt, kauft er sich ein Messer. Er lockt Marie in den Wald und ersticht sie dort im Blutrausch. Er eilt zurück in die Stadt und besucht das Wirtshaus. Andere Gäste entde-cken Blutspuren an Woyzeck, woraufhin der die Flucht ergreift. Er kehrt zurück zum Tatort und ver-senkt das Messer in einem Teich. Marie wird tot aufgefunden und untersucht.


4 Geschichtliche Hintergründe
Die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 ändert Machtstrukturen in Europa. 1815 wurden durch den Wiener Kongress die Verhältnisse vor der Französischen Revolution von 1789 weitgehend restau-riert. Das Junge Deutschland kritisierte diese Entwicklung. Es kommt schließlich zur März-Revolution (1835). Parallel dazu begannen die industrielle Revolution, und die Arbeiterklasse samt ihren Organisationen entstanden.
Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt zu Büchners Zeit ein Kleinstaat mit einer rückständigen Agrarstruktur. Soziale Widersprüche brachen hier schroffer auf, als in anderen Regionen. Dies wird auch in Büchners dramatischem Fragment "Woyzeck" erkennbar: Die Bedeutung des Stücks liegt in den erfassten sozialen Problemen und den daraus abgeleiteten Fragestellungen.


5 Aufbau, Chronologie und Schauplätze
Das dramatische Fragment »Woyzeck« hat in verschiedenen Fassungen unterschiedlich viele Sze-nen, die keiner systematischen Ordnung unterliegen. Die sogenannte »Quartfassung«, die einzelne Merkmale einer Reinschrift aufweist, hat 17 Szenen. Durch Ergänzungen mit Szenen der anderen Fassungen ist die »Stu¬dienausgabe« mit 25 Szenen entstanden.
»Woyzeck« erscheint als frühes modernes Stationen-Stück oder auch als offene Dramenform (Volker Klotz). Es spielt, wie Indizien belegen, in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Den historischen Johann Christian Woyzeck richtete man nach einem dreijährigen Prozess am 27. Au-gust 1824 öffentlich auf dem Leipziger Marktplatz hin. Der Schauplatz des Stückes ist eine mittlere Stadt, die Gießen, in einigen Zügen Darmstadt ähnelt.


6 Hauptpersonen
Franz Woyzeck:
ca. 40 Jahre alt, wird ausgenutzt, betrogen und hintergangen. Er ist "per expressis verbis" der erste Plebejer mit proletarischen Zügen, der die deutsche Bühne betritt

Marie Zickwolf:
erotisch-sinnlich, triebbestimmt, schuldbewusst. Liebe wird hier käuflich

Tambourmajor:
äußerlich oberflächlich, kein soziales Gefühl, triebhaft bestimmt

Hauptmann:
beruft sich auf seinen Stand und die Dienststellung, dümmlich, selbstgerecht

Doktor:
pseudowissenschaftlich interessiert, menschenverachtend, fast eine Karikatur

Andres:
Soldat, Partner und rationales Gegenbild von Woyzeck, lebt nach dem Befehl


7 Stil und Sprache Georg Büchners

• Büchner ist radikaler kritischer Realist, der oft schon Naturalistisches
• das bedeutet möglichst genaue und vollständige Wirklichkeitsbeschreibung, scheinbar »zufällige« Wirklichkeitsausschnitte - vorwegnimmt.
• Alltagssprache und Fachsprache (Arzt), aber auch Montagen romantischer Elemente (Lie-der, Märchen)
• Besonderheit des windschiefen Dialogs zwischen den Gestalten
• Nichtsprachliche Bestandteile im Text sind Ausdruck des geringen sprachlichen Vermögens mehrerer Gestalten
  

8 Interpretationsansätze
Verschiedene Interpretationsansätze bieten sich hier an:

• Woyzeck als Beispiel eines deformierten Menschen
• Woyzecks Berufung auf seine Natur gegen erstarrte Konventionen
• Woyzecks soziale Stellung und seine Entsozialisierung
• Die Zerstörung der privaten Sphäre Woyzecks durch gesellschaftliche Determinationen
• Woyzeck und Büchners Auffassung vom »Fatalismus«.
• Die Gesellschaftskritik Büchners berührte Probleme des Kapitalismus und richtete sich auf die u-gerechten Verteilungsprinzipien der kapitalistischen Gesellschaft, für ihn im Widerspruch von Arm und Reich, Hütten und Palästen (Streitschrift "Hessischer Landbote") gegenwärtig.
  

LG Marduk 2017