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käääse
Schüler | Nordrhein-Westfalen
11.04.2016 um 19:49 Uhr
Und hat irgendwer beide Aufgabenstellungen komplett im Sinn? Rein zufällig?
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#335272
 
laprof
Lehrer | Nordrhein-Westfalen
11.04.2016 um 20:04 Uhr
Eine solche Bepunktungshöhe ist ja schon aufgrund der Tatsache, dass die Aspekte explizit in der Aufgabenstellung gefordert waren, schlüssig.
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#335293
 
skalpellbitte
Schüler | Nordrhein-Westfalen
11.04.2016 um 21:37 Uhr
Da ich diese Klausur einfach nicht vergessen kann und mich das zweimonatige Warten in den Wahnsinn treibt, habe ich besagte Szene noch mal in meinem Buch herausgesucht und bin nach wie vor der Meinung, dass man - vor allem sprachlich - nicht allzu viel analysieren konnte.
Wer sich diesen halben Roman, der jetzt folgt, durchlesen möchte, kann dies gerne tun. Ich mache das, um mein Gewissen zu beruhigen großes Grinsen Nicht nur Kafka schrieb zum Zwecke der Therapie!

Diese Dinge sind mir sprachlich aufgefallen:
- hypothetisches Erzählen -> Gericht nicht greifbar, nur Vermutungen möglich
- Direkte Rede, meist parataktisch -> K. versucht mit dominantem Befehlston weiterzukommen
- Gedanken K.s als erlebte Rede und Erzählbericht, meist hypotakisch -> komplexe Gedankengänge, versucht schon fast verbissen, etwas über Gericht/Prozess zu erfahren
- Vergleich vom Maler mit einem Kind -> Abwertung Titorellis, Überlegenheitsgefühl K.s (Selbsttäuschung?), Gericht unseriös
- Verbildlichung der Ausweglosigkeit durch Richter auf Leinwand -> K.s Urteil determiniert
- genaue Beschreibung von Titorellis Tun -> K. als Beobachter, (verzweifelte) Suche nach Gericht
- Schilderung der Schwüle/Wärme/Luft als Eindruck auf K. kann - sowie die Gesprächssituation - als kafkaesk empfunden werden
- Sprache generell karg, farblos, unpathetisch

Das scheint mir nicht allzu viel zu sein, vieles davon steht bestimmt nicht einmal im Erwartungshorizont, dafür aber die unoffensichtlichsten Dinge.

Zur Gesprächsstruktur ist zu sagen, dass eine Wendung/Entwicklung im Gesprächsverlauf stattfindet und K. seine geglaubte Dominanz an Titorelli verliert. Mit dem letzten Satz gibt K. sogar zu, dass er sich völlig hat ablenken lassen.

Die Frage nach der Schuld und der Situation K.s ist meiner Meinung nach der schwammigste Analyseaspekt. Man erkennt, dass K. vom Gericht für schuldig befunden wird und auch, dass K. eventuell doch nicht ganz der Saubermann ist, für den er sich hält (Erst "Ja, vollkommen unschuldig", später "Nun ja").
Man kann sehen, welchen Einfluss das Gericht auf ihn hat (ihm ist nicht wohl ("Wärme", "Luft"), er fühlt sich von den Mädchen durchs Schlüsselloch beobachtet, weiß aber nicht, ob sie dahinterstehen (-> Panoptikum der Macht)).

Die Bedeutung der Szene ist die, dass man erste Hinweise auf die baldige Hinrichtung erhält:
Schuld steht für Gericht fest -> Verurteilung unumgänglich
Anklagegrund unbekannt -> keine Anklage, keine Verteidigung (möglich) -> Scheitern determiniert

Abgesehen von der Erzählweise (streng personal) fällt mir auch nicht mehr viel ein.
Das sind so ziemlich die Dinge, die ich in A1 geschrieben habe. Wenn das dem Ministerium nicht reicht, dann zweifle ich deren Kompetenz ernsthaft an. Es ist Kafka. Eigentlich dürfte es nicht mal einen Erwartungshorizont geben, weil man alles mögliche hineininterpretieren könnte.

Noch schlimmer wird's dann ja in A2, wo man ganz weit ausholen kann.
Ich habe mich für den autobiografischen Ansatz entschieden.

Zunächst habe ich diesen Ansatz "legitimiert", indem ich Parallelen zwischen Kafka und K. aufgezeigt habe. Dass es sinnvoll sei, denn Prozess - und somit die Schuldfrage - autobiografisch zu deuten, weil die Nachnamen den gleichen Anfangsbuchstaben haben, weil beide mit dem Gericht in Verbindung stehen, weil beide Beziehungs- und familiäre Probleme haben, etc.
Danach habe ich zunächst Romanstellen 'gesucht', an denen sich K. schuldig macht:
- Prüglerszene (K. passiv, will nur bestechen statt eingreifen, "verdrängt" die Kammer schließlich, will sie von Dienern aufräumen lassen -> Kafkas Komplexe und Schüchternheit, Leiden unter der autoritären Erziehung von Hermann Kafka)
- Frauenproblematik: Josef K. nur sexuell an Frauen interessiert -> Kafka kritisiert seine eigenen Bindungsprobleme, Schuld im Sinne von Schuld an Entlobung mit Felice Bauer, Kafka bezeichnete Entlobung in Tagebüchern sogar als Gericht/Prozess
- K.s Selbstbezogenheit (da hab ich einfach mal geschrieben, dass Kafka auch derartige Probleme hatte. In der Hoffnung, dass keiner der Korrektoren die Biografie Kafkas besser kennt als ich großes Grinsen)
Diese Schuldvorwürfe habe ich damit abgemildert, dass Kafkas Vater eine unterdrückende Instanz ist und man ihn gemäß autobiografischer Deutung mit dem Gericht gleichsetzen kann.
Demnach wäre K. unschuldig:
- keine Anklage, wird verurteilt, ist also machtlos -> Vater verachtet Kafka grundlos (wegen seiner Andersartigkeit), Kafka ist ihm quasi ausgeliefert, kann nichts gegen Scheitern unternehmen
- außerdem dringt das Gericht in seinen Alltag ein -> Vater toleriert literarische Betätigung nicht

Mein Fazit war ein ziemlich episches:
Zwar ist Josef K. in einigen Aspekten schuldig, aber nur, weil es das Gericht selbst auch ist. Erst die Schuld des Gerichtes ermöglicht eine spätere Schuld K.s.
Bezogen auf Kafka: Kafka hatte das Gefühl der Schuld an seiner Entlobung und seinen sozialen Kompetenzen, aber nur, weil sich sein Vater zuvor verschuldet hat, als er Kafka durch seine Erziehungsmaßnahmen zu den Störungen verholfen hat, die ihn schließlich die spätere Schuld verspüren ließen.

Ich hoffe, das macht einigermaßen Sinn und wird honoriert.
Zuletzt bearbeitet von skalpellbitte am 11.04.2016 um 21:41 Uhr
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BBCodes