Moin,
kann mir einer bei der Einordnung der Physikern helfen? Passt der Aufbau der Komödie eher zu der Theorie von Aristoteles oder der von Lessing?
Grüß Gott
kann mir einer bei der Einordnung der Physikern helfen? Passt der Aufbau der Komödie eher zu der Theorie von Aristoteles oder der von Lessing?
Grüß Gott
Anonym
07.04.2012 um 23:11 Uhr
Teils teils. Dürrenmatt hat eine eigene Dramentheorie.
Zuletzt bearbeitet von Anonym am 29.01.2022 um 23:25 Uhr
Fest steht, dass "Die Physiker" grundlegende Strukturen eines Dramas beinhaltet. Mit Aristoteles' Dramentheorie stimmt jedoch nahezu kein Punkt überein.
Aristoteles hat versucht die Menschen zu beeinflussen, zu bewegen. Hauptziel war es, den Zuschauer so in das Stück zu implizieren, dass die Illusion der Realität perfekt ist. Der Zuschauer sollte mit den Akteuren der Komödie/Tragödie Mitleid empfinden, sollte sich mit ihnen freuen und nach der Vorstellung als besserer Mensch den Schauplatz verlassen (Besser in dem Sinne, dass er die gezeigten Fehler nicht selbst macht) Neben Mitleid zählt also auch die Furcht des Zuschauers dazu. Er muss Angst davor haben, dass ihn das gleiche Schicksal ereilt.
Lessing hat die wesentlichen Punkte dieser Dramentheorie übrigens übernommen. Er hat sie zusätzlich mit aufklärerischem Gedankengut versehen, das sich vor allem im INHALT der Stücke wiedergespiegelt hat. (Standeskonflikte/ Konflikte zwischen Religionen/Konflikte innerhalb der Gesellschaft)
Dann kommt Brecht , der Aristoteles und Lessing fast gänzlich widersprach. Der Zuschauer sollte fortan nicht eingebunden werden, sondern vielmehr Distanz gewinnen! Distanz durch Brechen der Illusion des Theaters (z.B. durch Einsetzen eines Erzählers oder durch Einblendungen von Ton-/Filmsequenzen)
Ziel war dabei die REFLEXION des Zuschauers, er sollte mitdenken und sich sein eigenes Bild entwerfen. Die "Indoktrination" fällt bei Brecht also weg.
Dürrenmatt hat Brechts Theorie weiterentwickelt: Er hält es für unwahrscheinlich, dass der Zuschauer reflektiert. Schließlich geht er ins Theater, um sich zu amüsieren- weshalb also die Reflexion? Bei Dürrenmatt wurde sie durch das Moment des ZUFALLS ersetzt. Der Zufall entscheidet über den Verlauf des Stückes. Er setzt den Punkt der SCHLIMMSTMÖGLICHEN WENDUNG , aus der es KEIN ENTRINNEN gibt. (Es sei denn alle Beteiligten finden eine gemeinsame LÖSUNG)
Entscheidend ist, dass die schlimmstmögliche Wendung sich nicht anbahnt! Sie wird durch den Zufall initiiert und erwischt den Zuschauer eiskalt. Ziel war es zu zeigen, das planerisches Denken hindern kann, da der Zufall jeden Plan zerstört. (s. 21 Punkte)
Bleibt also die Frage, warum die Physiker ein Drama sind.
1. Weil Dürrenmatt seine eigene Theorie hatte
2. Weil grundlegende Strukturen (Exposition/Anbahnung des Konfliktes/Katastrophe) aus Gustav Freytags Modell vorhanden sind. Sie sind allerdings zeitversetzt und entsprechen damit Dürrenmatts Vorstellungen
So long....
Felix
Aristoteles hat versucht die Menschen zu beeinflussen, zu bewegen. Hauptziel war es, den Zuschauer so in das Stück zu implizieren, dass die Illusion der Realität perfekt ist. Der Zuschauer sollte mit den Akteuren der Komödie/Tragödie Mitleid empfinden, sollte sich mit ihnen freuen und nach der Vorstellung als besserer Mensch den Schauplatz verlassen (Besser in dem Sinne, dass er die gezeigten Fehler nicht selbst macht) Neben Mitleid zählt also auch die Furcht des Zuschauers dazu. Er muss Angst davor haben, dass ihn das gleiche Schicksal ereilt.
Lessing hat die wesentlichen Punkte dieser Dramentheorie übrigens übernommen. Er hat sie zusätzlich mit aufklärerischem Gedankengut versehen, das sich vor allem im INHALT der Stücke wiedergespiegelt hat. (Standeskonflikte/ Konflikte zwischen Religionen/Konflikte innerhalb der Gesellschaft)
Dann kommt Brecht , der Aristoteles und Lessing fast gänzlich widersprach. Der Zuschauer sollte fortan nicht eingebunden werden, sondern vielmehr Distanz gewinnen! Distanz durch Brechen der Illusion des Theaters (z.B. durch Einsetzen eines Erzählers oder durch Einblendungen von Ton-/Filmsequenzen)
Ziel war dabei die REFLEXION des Zuschauers, er sollte mitdenken und sich sein eigenes Bild entwerfen. Die "Indoktrination" fällt bei Brecht also weg.
Dürrenmatt hat Brechts Theorie weiterentwickelt: Er hält es für unwahrscheinlich, dass der Zuschauer reflektiert. Schließlich geht er ins Theater, um sich zu amüsieren- weshalb also die Reflexion? Bei Dürrenmatt wurde sie durch das Moment des ZUFALLS ersetzt. Der Zufall entscheidet über den Verlauf des Stückes. Er setzt den Punkt der SCHLIMMSTMÖGLICHEN WENDUNG , aus der es KEIN ENTRINNEN gibt. (Es sei denn alle Beteiligten finden eine gemeinsame LÖSUNG)
Entscheidend ist, dass die schlimmstmögliche Wendung sich nicht anbahnt! Sie wird durch den Zufall initiiert und erwischt den Zuschauer eiskalt. Ziel war es zu zeigen, das planerisches Denken hindern kann, da der Zufall jeden Plan zerstört. (s. 21 Punkte)
Bleibt also die Frage, warum die Physiker ein Drama sind.
1. Weil Dürrenmatt seine eigene Theorie hatte
2. Weil grundlegende Strukturen (Exposition/Anbahnung des Konfliktes/Katastrophe) aus Gustav Freytags Modell vorhanden sind. Sie sind allerdings zeitversetzt und entsprechen damit Dürrenmatts Vorstellungen
So long....
Felix
Zuletzt bearbeitet von El_Contestador am 08.04.2012 um 00:48 Uhr